In der Grundschulzeit kann Ihr Kind oftmals schon genau formulieren, dass es einem anderen binären oder abinären Geschlecht angehört. Die Fachbegriffe wird es vermutlich nicht kennen, es wird aber beschreiben können, dass es sich dem anderen Geschlecht zugehörig fühlt. Ein als Junge zugeordnetes Kind kann also etwas in der Art sagen wie: „Ich bin in Wirklichkeit ein Mädchen!“, ein als Mädchen zugeordnetes Kind formuliert das vielleicht dementsprechend mit „Ich bin ein Junge!“.
Sie werden sich bei Freund_innen und Bekannten rechtfertigen – oder zumindest das Gefühl haben, es tun zu müssen, d.h. Sie werden mit Sicherheit immer wieder neu begründen, dass es wahrscheinlich keine vorübergehende Phase ist, die Ihr Kind durchlebt, sondern dass es wohl tatsächlich ein trans Kind zu sein scheint usw.
Es gibt auch Kinder, die kein Coming-out (siehe Kap.08.1) wünschen, insbesondere wenn sie bereits in der KiTa erste Diskriminierungserfahrungen gesammelt haben. Sie sind oftmals auch nicht „als trans“ zu erkennen und leben und spielen einfach mit anderen, wie cis Kinder auch. In diesem Fall kommunizieren Sie natürlich nichts nach außen und müssen sich auch nicht rechtfertigen.
Wann sollte gehandelt werden, was ist zu tun?
→ Alles, was wir in Kap.06.1 beschrieben haben: das Kind in seinem Weg unterstützen, evtl. Familienangehörige, Freund_innen und Ärzt_innen informieren, Außenstehende auf den Geschlechtsrollenwechsel vorbereiten, Kontakt zu Selbsthilfeorganisationen und Psycholog_innen aufnehmen, DGTI-Ergänzungsausweis beantragen.
→ In der Schule: Die Lehrer_innen und die Schulleitung können informiert werden, da sie den Wechsel der äußerlichen Erscheinung ja miterleben. Die Klassenkamerad_innen des Kindes kriegen das alles natürlich ebenfalls mit. Meistens erfolgt das Ganze zwar mit einer gewissen Verwunderung von seitens der Kinder, aber ohne nennenswertes Ärgern und Hänseln. Wie auch in der KiTa, ist es möglicherweise sinnvoll in die Offensive zu gehen und die Eltern der anderen Kinder zu informieren. Wenn es sowieso alle mitkriegen, kann man wenigstens versuchen, die Situation ins rechte Licht zu rücken, statt zu warten, bis sich Getuschel, heimliches Lästern oder falsche Tatsachen unter den Eltern verbreiten.
(In Kap.06.2 gibt es einen Link auf ein Beispiel eines möglichen Briefs an die anderen Eltern der Klasse.)
Sollten die Lehrer_innen noch nie Berührung mit einem trans Kind gehabt haben, werden sie der Sache unsicher und zurückhaltend gegenüber stehen. Sie sollten die Lehrer_innen nun lieber feinfühlig mit Informationen versorgen.
Quellen mit Informationen für Pädagogen:Im sehr ungünstigen Fall erleben Sie Ablehnung durch die Änderung der Geschlechtsrolle Ihres Kindes. Wenn keine Gespräche, keine Infos, und auch sonst nichts hilft, bleibt Ihnen noch ein Schulwechsel als Alternative übrig.
Ein immer wiederkehrendes Thema in Schulen sind die Klogänge und das Umziehen in Sport- und Schwimmunterricht. Das „Problem“ mit den Klogängen ist einfach zu lösen: das Kind geht einfach in die Kabinen und kein anderes Kind kriegt etwas mit. Wie man das „Problem“ mit dem Umziehen löst, hängt ein bisschen von der Situation in der Schule ab, vom Gestaltungswillen der Schulleitung und von Ihrem eigenen diplomatischen Geschick. Gegebenenfalls nehmen Sie Kontakt zu einer Eltern- oder Schulberatung auf.
Eine E-Mail-Weiterleitung zu Experten: schulberatung@trans-kinder.de
→ Zu einem Zeitpunkt, der sicherlich nicht in der Anfangszeit der Transition liegt, werden Sie über Möglichkeit der Vornamens- und Personenstandsänderung nachdenken müssen. (Darauf gehen wir in Kap.10.1 ein.)
Auch in Grund- und weiterführender Schule kann es sein, dass Kinder sich nicht bzgl. ihres Seins mitteilen möchten. Das ist zu respektieren. Keinesfalls sollte Druck auf die Kinder ausgeübt werden, ihr trans Sein bekannt zu machen, wenn sie es nicht möchten. Sie sind schließlich die Einzigen, die mit dieser Situation leben müssen. Wichtig ist eher, dass Sie mit Ihrem Kind offen über die Vor- und Nachteile von Coming-out (siehe Kap.08.1) und „stealth leben“ sprechen und mit ihm gemeinsam überlegen, welche Entscheidung getroffen werden sollte. Einmal ein Coming-out durchgeführt, lässt es sich nicht mehr zurückdrehen, wenn es zu Diskriminierung gekommen ist. Andererseits kann es als unangenehme Last empfunden werden, sich nicht anderen bzgl. des eigenen Seins mitzuteilen.
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