Ihr Kind lebt daheim, im persönlichen Umfeld, in der gefühlten Geschlechtsrolle. In der KiTa, in der Schule und außerhalb der Familie muss es die zugeordnete Geschlechtsrolle wieder einnehmen.
Das Kind darf allenfalls zeitweilig und nur stark begrenzt gemäß seiner geschlechtlichen Selbstwahrnehmung im kleinen Kreis zu Hause leben, aber den größten Teil des Lebens muss es sich verbiegen und in der unpassenden Geschlechtsrolle leben.
Viele Kinder erleben das Leben in einer unpassenden Geschlechtsrolle als „Verkleidung“. Sie müssen der Welt vorgaukeln, jemand zu sein, der sie nicht sind. Höllisch aufpassen, sich bloß nicht zu verplappern, dass niemand Verdacht schöpft. Selbst daheim, wo man sich in der wirklichen, gefühlten Geschlechtsrolle bewegen darf, kann sich ein trans Kind nicht völlig frei bewegen. Schließlich könnte ja unerwartet Besuch kommen und etwas sehen, was er/sie nicht sehen sollte. Ununterbrochen lastet Druck auf der jungen Person. Für Sie, als Eltern, sieht die Situation vergleichbar aus. Auch Sie müssen außerhalb des Hauses eine andere Sprache als daheim verwenden und dürfen „er“ und „sie“ nicht verwechseln.
Es gibt noch einen anderen Aspekt: Wenn Ihr Kind in der Öffentlichkeit sein innerstes Ich, seine Geschlechtswahrnehmung, verbergen muss, vermitteln Sie Ihrem Kind das Bild, dass seine grundlegenden Werte und Gefühle, also sein Sein, es nicht wert sind, verteidigt zu werden.
Bei diesem Weg räumen Sie dem Aufrechterhalten der Geschlechternormen einen höheren Stellenwert ein, als den Bedürfnissen Ihren Kindes, die aus seinem Sein resultieren.
Dieser Ansatz wird übrigens als „wait and see“ bezeichnet und dient wie der erste Weg dazu, dass das Kind den gesellschaftlichen Normen entspricht und es zu korrigieren, wenn es Verhalten zeigt, das nicht dem zugeordneten Geschlecht entspricht.
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