Eine Hormonersatztherapie (HET) (oder auch: Hormontherapie) hat zum Ziel, die körperliche Erscheinung von trans Jugendlichen dem eigenen Geschlechtsempfinden anzupassen. Daher beginnt man eine HET erst dann, wenn man sich sicher ist, tatsächlich dem „anderen“ Geschlecht anzugehören. Eine sogenannte „Geschlechtsumwandlung“ ist nicht möglich, wohl aber eine „Geschlechtsangleichung“.
Im Gegensatz zu den Pubertätsblockern sind viele Auswirkungen der HET irreversibel. Dazu zählen z.B. Stimmbruch, Behaarung, Hodenatrophie (Verkleinerung der Hoden), manche andere Auswirkungen sind immerhin teilweise reversibel. Wie eine Behandlung mit pubertätsaufschiebenden Hormonen, muss eine HET also wohl überlegt sein, eigentlich sogar noch besser überlegt sein, weil einige Aspekte irreversibel sind, was bei Blocker nicht der Fall ist.
Hormonpräparate werden meist von Endokrinolog_innen verschrieben. Es ist sinnvoll, solche Fachärzt_innen aufzusuchen, die dem „trans“-Thema gegenüber aufgeschlossen sind.
Der Zugang zur ärztlich verordneten Hormonbehandlung ist derzeit erschwert, daher scheint es sinnvoll, sich frühzeitig um einen Termin zu bemühen. Es sieht leider auch nicht danach aus, als ob sich dieser Zustand in den nächsten Jahren verbessern könnte.
An dieser Stelle soll von eigenmächtigen Hormonanwendungen dringend abgeraten werden, da eine unkontrollierte Einnahme zu Überdosierungen und unerwünschten Wirkungen führen können, die den Körper möglicherweise dauerhaft schädigen. Daher weisen wir an dieser Stelle darauf hin, dass Hormonpräparate auch für Jugendliche heute auf relativ einfachem Wege aus dem Internet etc. bezogen werden können. Es existiert ein erhöhtes Risiko, dass unsachgemäße Anwendung und Dosierung erhebliche Nebenwirkungen mit sich bringen, wie z.B. Wachstumsstörungen von sekundären Geschlechtsorganen und sogar Schädigung des Gewebes (sowieso ganz abgesehen von minderwertigen Präparaten, die im Umlauf sind).
Durch eine sachgemäße HET wird der Hormonspiegel des Körper in das richtige Verhältnis gebracht, um dessen Entwicklung in die gewünschte Richtung zu lenken.
Damit die HET erfolgen kann, muss zuvor eine Diagnose der „Störung der Geschlechtsidentität“ oder „Geschlechtsinkogruenz im Kindes- und Jugendalter“ von einer_s Kinder- und Jugendpsychotherapeut_in erstellt werden. Das soll sicher stellen, dass es sich bei der anfragenden Person nicht nur um eine Phase handelt, in welcher diese_r mit dem körperlichen Erscheinungsbild hadert, sondern dass es sich (soweit möglich) tatsächlich um eine Geschlechtsinkongruenz mit einer mehr oder weniger ausgeprägten Geschlechtsdysphorie handelt.
Ist das durch die Diagnose gesichert, stehen zu Beginn der Therapie diagnostische Untersuchungen an, es wird geprüft, ob genetische oder hormonelle Besonderheiten vorliegen. Dazu ist eine Blutuntersuchung notwendig.
Ob körperliche Besonderheiten vorliegen, wird selbstverständlich ebenfalls untersucht. Manche trans Jugendliche haben Hemmungen sich vor Fremden, auch Ärzt_innen, zu entblößen. Sofern dieses vorliegt, sollte zusammen mit den Mediziner_innen vor dem ersten Termin nach einer möglichen Lösung gesucht werden. (Eine Lösung kann darin bestehen, dass nur möglichst kleine Teilbereiche des Körpers entblößt werden müssen, die für eine Beurteilung ausreichen.) Liegen keine Auffälligkeiten vor, kann die Hormonbehandlung beginnen.
Trans Jungen wird Testosteron verabreicht. Zu Erwarten sind Veränderungen zum männlichen Erscheinungsbild hin wie:
→ Tiefere Stimmlage
→ Vermehrtes Wachstum von Gesichts- und Körperbehaarung
→ Ausbleiben der Menstruation (Amenorrhoe)
→ teilweise Rückbildung des Brustgewebes (soweit vorhanden)
→ Veränderung der Körperfettverteilung
→ Zunahme der Muskelmasse
→ Veränderung der Hauttextur
→ Evtl. teilweiser Ausfall der Kopfbehaarung
→ Evtl. verstärktes Wachstum der Klitoris
→ Evtl. Anheben der Libido
→ Evtl. schmerzhafte Sensibilisierung der Brust
→ Veränderung der emotionalen Grundstimmung
Trans Mädchen werden Östrogene und Gestagene verabreicht. Zu Erwarten sind Veränderungen zum weiblichen Erscheinungsbild hin wie:
→ Brustwachstum
→ Weibliche Fettverteilung
→ Abbau von Muskelmasse
→ Weichere Haut
→ Potenzverlust
→ Evtl. Abnahme der Libido
→ Verkleinerung der Hoden
→ Veränderung der emotionalen Grundstimmung
Es lässt sich kaum vorhersagen, welche körperlichen Veränderungen im Detail eintreten werden und mit welcher Geschwindigkeit sie voran schreiten. In der Regel dauert es wenige Monate, bis erste Veränderungen sichtbar werden und bis zu fünf Jahren, bis die Entwicklung abgeschlossen ist.
Nicht nur die objektiven Veränderungen sind von Person zu Person sehr verschieden, sondern auch die individuelle Erwartungshaltung, so dass auch die subjektiven, die empfundenen Veränderungen doch recht unterschiedlich ausfallen. Der deutlich überwiegende Teil der betroffenen Personen scheint jedoch mit den Veränderungen durchaus zufrieden zu sein.
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