Auf körperlichen Ebene gibt es nach medizinischen Normen die eindeutig männliche Ausprägung, mit den typischen primären und sekundären männlichen Geschlechtsmerkmalen (Penis, Hodensack, typisch männliche Körperbehaarung, ausgeprägter Adamsapfel, usw.). Und es gibt gemäß medizinischer Sichtweise eine eindeutig weibliche Ausprägung, mit den typischen primären und sekundären weiblichen Geschlechtsmerkmalen (Vagina, Klitoris, Brüste, typisch weibliche Körperbehaarung, weiche Gesichtszüge, usw.). Zwischen diesen „typisch männlich“ und „typisch weiblichen“ körperlichen Ausprägungen gibt es jedoch noch eine Vielzahl von Zwischenstufen, in welchen Menschen sich gemäß ihrer körperlichen Geschlechtsmerkmale nicht so eindeutig in männliche oder weibliche Kategorien einteilen lassen. Das beginnt bei Männern, die einfach nur ein bisschen weiche, weibliche Gesichtszüge haben, bzw. Frauen, die den traditionellen Geschlechternormen zufolge z.B. durch ihr Auftreten eher männlich wirken und endet bei Menschen, die sowohl männliche, als auch weibliche Geschlechtsmerkmale haben. Alle Variationen sind denkbar. Es gibt Menschen, die sowohl Penis und Hodensack als auch Vulvalippen und Vagina haben, es gibt Männer, die äußerlich über Penis und Hoden verfügen, eine als männlich wahrgenommene Erscheinung aufweisen und einfach noch zusätzlich Eierstöcke haben, usw. Natürlich gibt es auch genetische Variationen in den Geschlechtschromosomen. (Siehe weiter unten „Das genetische Geschlecht“).
Menschen, die also laut medizinischen Normen hinsichtlich ihrer körperlichen Geschlechtsmerkmale nicht eindeutig männlich oder weiblich sind, werden als „intergeschlechtlich“ oder „Intersex-Personen“ bezeichnet. (Früher waren z.B. Begriffe „Hermaphrodit“ oder „Zwitter“ gängig, heute sind sie als Fremdbezeichnung weitgehend negativ behaftet und daher von Nicht-„Betroffenen“ lieber nicht zu verwenden.) Am besten ist es, eine Person einfach zu fragen, wie sie sich bezeichnet bzw. bezeichnet werden möchte.
Das alles ist aber nur der körperliche Aspekt des Geschlechts und reicht für die Beschreibung von „Geschlecht“ nicht aus. Das „Geschlecht“ scheint also verschiedene Facetten und Betrachtungsweisen zu haben. Es lohnt sich daher genauer hin zu schauen, denn auch die Sichtweise von Transgeschlechtlichkeit hängt stark von unseren Vorstellungen von Geschlecht zusammen.
Aus genannten Gründen wäre es sinnvoll, eine Definition von „Geschlecht“ zu suchen, die der Geschlechtervielfalt angemessen Rechnung trägt. Dazu gehört u.a. der Verzicht, diese als krank zu erklären und das Recht auf Selbstbestimmung, einschließlich Selbstzuordnung sicherzustellen.
Da die simple Vereinfachung in weiblich und männlich bei näherer Betrachtung noch nicht einmal aus biologischer Sicht ausreicht, betrachten wir das „Geschlecht“ aus verschiedenen Perspektiven. (Siehe auch „Geschlecht“ auf Seite 02.1 .)
Das genetische Geschlecht
Der Genotyp ist die Gesamtheit aller Gene eines Organismus. Liegt der Chromosomensatz 46,XX vor, entwickelt der menschliche Körper meist eine weibliche Erscheinung, liegt der Chromosomensatz 46,XY vor, entsteht meist eine männliche Erscheinung.
In seltenen Fällen können Chromosomenvariationen entstehen, meistens: X0, XXX, XXY und XYY. Diese Menschen haben eine Variante der Geschlechtsentwicklung. In den meisten Fällen ordnen sich diese Menschen einem der Normgeschlechter weiblich/männlich zu, jedoch ist offensichtlich, dass die Geschlechtschromosomensätze XX bzw. XY nicht für die Beschreibung des Geschlechts geeignet sind.
Das hormonale Geschlecht
Die sogenannten Sexualhormone Östrogen und Testosteron werden in hoher Konzentration in den Gonaden (Eierstöcken bzw. Hoden) hergestellt. In geringerer Dosis produziert die Nebennierenrinde bei Männern auch Östrogene und bei Frauen auch Testosteron. Normalerweise lassen sich bei jedem Menschen beide Hormone nachweisen, üblicherweise eines davon in deutlich höherer Konzentration. Östrogene und Testosteron sind nicht nur für die Produktion von Eiern und Spermien verantwortlich, sondern sie bestimmen auch Stimmhöhe, Hautgewebestruktur, Körperfettverteilung und Körpergröße mit.
Die Gonaden werden während der embryonalen Entwicklung angelegt. Das Vorhandensein eines Y-Chromosoms bewirkt [einfach gesagt] meist die Entwicklung der Hoden. Fehlt in den Genen das Y-Chromosom, entstehen [einfach gesagt] meist Eierstöcke. Genetische Veränderungen des Erbgutes können die Entwicklung der Gonaden verändern (Eierstock- und/oder Hodengewebe wird vielleicht nur teilweise angelegt), was wiederum die Produktion der Sexualhormone beeinflusst.
Offensichtlich können weder die Gonaden noch die Sexualhormone bedingungslos zur Beschreibung des Geschlechts herangezogen werden.
Die inneren Geschlechtsorgane
Zu den inneren weiblichen Geschlechtsorganen zählen Eileiter, Gebärmutter (Uterus), und Vagina (welche innere und äußere Geschlechtsorgane verbindet). Ein Körper, der diese Organe aufweist, wird nach medizinischen Normen dem Weiblichen zugeordnet.
Zu den inneren männlichen Geschlechtsorganen zählen Hoden, Nebenhoden, Samenleiter, Samenbläschen und Prostata. Ein Körper, der diese Organe aufweist, wird nach medizinischen Normen dem Männlichen zugeordnet.
Es kann vorkommen, dass diese Organe untypisch, nur teilweise entwickelt sind oder gar nicht vorhanden sind.
Es kann auch vorkommen, dass in einem Körper Organe beiderlei Geschlechts enthalten sind, dann spricht man von Intergeschlechtlichkeit.
Die äußeren Geschlechtsorgane
Zu den äußeren weiblichen Geschlechtsorganen zählen Klitoris, äußere und innere Vulvalippen und Scheideneingang. Ein Körper, der diese Organe aufweist, wird nach medizinischen Normen dem Weiblichen zugeordnet.
Zu den äußeren männlichen Geschlechtsorganen zählen Penis und Hodensack. Ein Körper, der diese Organe aufweist, wird nach medizinischen Normen dem Männlichen zugeordnet.
Auch hier kann es vorkommen, dass diese Organe untypisch, nur teilweise entwickelt sind oder gar nicht vorhanden sind.
Es kann auch vorkommen, dass in einem Körper Organe beiderlei Geschlechts enthalten sind, dann spricht man von Intergeschlechtlichkeit.
Geschlechtsbestimmung
Schon allein, weil in einem Körper sowohl äußere als auch innere Geschlechtsorgane ganz oder teilweise fehlen könnten oder sowohl in weiblicher als auch männlicher Ausprägung auftreten können ist offensichtlich, dass weder innere noch äußere Geschlechtsorgane zur Beschreibung des Geschlechts bedingungslos herangezogen werden können.
Die klassische Vorstellung, das Geschlecht in weiblich/männlich einzuteilen, ist fehlerbehaftet, da es zu viele und zu unterschiedliche Zwischenstufen bzw. Variationen gibt.
Weder Chromosomen, noch Gonaden (Eierstöcke/Hoden), noch Anteil der Sexualhormone, auch nicht innere oder äußere Geschlechtsorgane eignen sich vollständig zur eindeutigen Bestimmung des Geschlechts.
Trans Geschlechtlichkeit kann das Ergebnis einer bestimmten embryonalen Entwicklung sein, die weniger häufig auftritt als cis Geschlechtlichkeit. Es gibt auch Hinweise, dass Gehirnentwicklungen das Geschlecht mitbestimmen. Zu den Ursachen von trans lassen sich nur Spekulationen anstellen. Es ist davon auszugehen, dass viele Faktoren beteiligt sind, d.h. verschiedene Ursachen hierzu beitragen.
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